Allein durch die Wärmeversorgung kann ich etwas für den Klimaschutz tun!

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Julia Buchweitz, Rechtsreferentin und Fernwärmeexpertin aus unserem Projekt "Verbraucher in der Energiewende" erklärt, was Wärmenetze nachhaltig werden lässt und welche finanziellen Vorteile sie bieten können. Aber im Interview gibt sie auch an, was Verbraucher unbedingt beachten müssen.
Fernwärme_Rohre

Die Wärmeerzeugung ist der größte Posten in der CO2-Bilanz der deutschen Haushalte. Wärmenetze – also die Beheizung über Fern- und Nahwärme – gelten dabei als besonders ökologische Möglichkeit der Beheizung. Dies liegt daran, dass zum einen erneuerbare Energien und industrielle Abwärme vermehrt für die Erzeugung der Wärme genutzt werden können. Zum anderen kann durch die Herstellung der Wärme auch gleichzeitig Strom generiert werden. Man hat also gleich einen doppelten Nutzen und es muss keine zusätzliche Energie für die Stromherstellung aufgewendet werden. Das klingt doch erst einmal ziemlich gut, aber Verbraucherschützer geben auch kritische Punkte zu beachten. Julia Buchweitz, Juristin des Projektes „Verbraucher in der Energiewende“ von der Verbraucherzentrale steht hierzu Frage und Antwort.

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Wärmenetze, Nahwärme, Fernwärme – alles Begriffe, die einem immer wieder über den Weg laufen. Aber was davon ist eigentlich was?
Der Begriff „Wärmenetze“ ist quasi als Überbegriff für Nah- und Fernwärme zu verstehen. Gemeint sind damit die überwiegend erdverlegten und wärmegedämmten Rohrsysteme, über die die Wärmelieferung – also Heizung und Warmwasser – zur Versorgung von Gebäuden erfolgt. Unter Fernwärme wird in der Regel die Erschließung und Versorgung ganzer Städte oder Stadtteile mit Wärme über ein solches Wärmenetz verstanden. Geht es um die Wärmelieferung an einzelne Gebäude, Gebäudeteile oder kleinere Wohnsiedlungen über ein Wärmenetz spricht man häufig von Nahwärme. Technisch und juristisch ist aber ohnehin „Fernwärme“ die korrekte Bezeichnung. Wichtig ist, dass der Ausbau von Wärmenetzen als wesentlicher Beitrag zum Gelingen der Energiewende erachtet wird.

Was tragen die Wärmenetze denn dazu bei, die Energiewende gelingen zu lassen?
Grundsätzlich sind Wärmenetze eine sehr sinnvolle, nachhaltige und bequeme Art der Beheizung. Insbesondere können bei Fernwärme, anders als bei anderen Beheizungsformen alternative Energien wie etwa industrielle Abwärme, Wind- oder Sonnenenergie oder auch Biomasse super genutzt werden, gerade das macht das Ganze ja so nachhaltig. Aber auch die Tatsache, dass durch die Fernwärmeherstellung meist noch Strom produziert wird, macht Fernwärme zu einer guten Sache. Damit wird deutlich, dass Fernwärme zu guter Letzt sehr ökologisch sein kann, sodass ich allein durch meine Wärmeversorgung schon zu Umwelt- und Klimaschutz beitrage.

Es kommt immer auf den Produktmix an.

Du sagst, Fernwärme kann ökologisch sein. Daraus lässt sich schließen, das ist nicht immer der Fall. Warum?
In Bezug auf die Ökologie muss ich leider sagen, dass man eben nicht pauschal behaupten kann, Fernwärme sei immer besonders umweltfreundlich. Jedes Netz ist hierfür einzeln zu betrachten. Dabei spielt es eine große Rolle, durch welchen Produktmix die Fernwärme hergestellt wird und auch, wie viele Abnehmer es gibt sowie die Länge des Netzes. Die besten Voraussetzungen für ein ökologisch und ökonomisch gutes Wärmenetz sind: Ein Netz mit gut isolierten Leitungen, in dem auch nicht so viele Verluste durch die Länge bestehen, die Wärme überwiegend aus erneuerbaren Energien erzeugt und möglichst viel der vorhandenen Wärmeleistung abgenommen wird.

Wie finde ich als Verbraucher denn heraus, wie ökologisch mein Wärmenetz ist?
Tja, das ist leider nicht so einfach. In Schleswig-Holstein haben wir aber schon einmal den Vorteil, dass das Energiewende- und Klimaschutzgesetz alle Fernwärmeversorger aus dem Bundesland dazu verpflichtet hat, neben ihren Preisen auch ihren Produktmix, die CO2-Emissionen und den sogenannten Primärenergiefaktor im Internet anzugeben. Hierdurch lässt sich die Ökologie des jeweiligen Netzes gut ableiten. Es wäre schön, wenn die Verpflichtung, diese Informationen im Internet zu veröffentlichen auch bundesweit gelten würde.

Du hast den Primärenergiefaktor angesprochen. Was bedeutet der?
Der Begriff des Primärenergiefaktors drückt das Verhältnis von eingesetzter Energie zu gegebener Endenergie aus und wird unter anderem zur Bewertung des Energiestandards eines Gebäudes verwendet. Man kann sich das Ganze so vorstellen, dass verschiedene Gebäude unterschiedliche Arten von Energieträgern verwenden. Diese unterscheiden sich natürlich in ihren Eigenschaften wie ihrer Versorgungssicherheit, Klimabelastung oder ihren Umwandlungsverlusten. Um nun einen direkten Vergleich zu ermöglichen, benutzt man daher einen Gewichtungsfaktor wie den Primärenergiefaktor. Gebäude, die an ein Fernwärmenetz angeschlossen sind, haben dabei häufig einen sehr niedrigen Primärenergiefaktor, da für die Erzeugung oft ein hoher Anteil alternativer Energie (z.B. Biogas, Windkraft, Abwärme) im Netz eingesetzt wird und Kraft-Wärme-Kopplung zur gleichzeitigen Stromgewinnung stattfindet. Letztlich ist der Primärenergiefaktor gerade für Bauherren oft von Interesse, da ein niedriger Wert im Zusammenhang mit KfW-Fördermitteln relevant wird.

Man spart eine Menge Investitions- und Instandhaltungskosten.

Nun war bereits die Rede von einem möglichen ökologischen Vorteil. Welche Vorteile bietet die Versorgung mit Fernwärme denn konkret?
Ein deutlicher Vorteil ist, dass man beim Neubau Investitionskosten und die entsprechenden Zinsen spart, weil man keinen zweiten Abzug und keinen extra Raum für eine Heizungsanlage benötigt. Fernwärme wird im Rahmen von KfW-Fördermitteln auch besonders berücksichtigt. Im Alltag habe ich bei der Fernwärmeversorgung keine Wartungs- und Instandhaltungskosten und muss mir dafür auch keine Termine freihalten. Genauso wenig muss ich um die Brennstoffbesorgung kümmern und habe so gut wie keine Platzverluste.

Aus Sicht der Verbraucherschützerin gibst Du aber auch einige Punkte zu bedenken. Welche sind das?
Leider handelt es sich hier um einen Monopolmarkt, bei dem der Verbraucher gar nicht oder nur durch die Umstellung seines Heizungssystems wechseln kann. In so einer Situation bedarf es eines starken Verbraucherschutzes. Gerade dieser bleibt aber im Fernwärmesektor sogar noch hinter allgemeinen Verbraucherschutz-Standards zurück.

Was genau meinst Du damit?
Ziehen wir mal eine Parallele zum Strom- und Gasmarkt, da geht es ja auch um Energie. In diesen Märkten herrscht Wettbewerb und die Verbraucher können sich frei für einen Versorger entscheiden. Wenn der Versorger die Preise erhöht, haben die Verbraucher ein Sonderkündigungsrecht und können zu einem anderen Energielieferanten wechseln. Das geht bei Fernwärme nicht. Und das obwohl wir in den letzten Jahren durchaus Preissteigerungen von 60% und mehr bei manchen Anbietern verzeichnen konnten. Gibt es bei Strom oder Gas Probleme mit dem Unternehmen, können sich Verbraucher kostenlos an die „Schlichtungsstelle Energie“ wenden, das Unternehmen ist verpflichtet, sich hieran zu beteiligen. Bei Fernwärme gibt es so etwas nicht. Dabei wäre dies bei einer Monopolsituation doch besonders wichtig.

Was müsste Deiner Meinung nach denn verbessert werden, um dem Verbraucherschutz ausreichend zu genügen?
In erster Linie würde ich eine Preisaufsicht oder -regulierung sowie die Einführung einer verpflichtenden Schlichtungsstelle in diesem Bereich sehr begrüßen. Beides würde für sich gesehen, aber auch im Zusammenspiel für mehr Klarheit auf allen Seiten sorgen und die Gerichte entlasten. Außerdem könnte man so auch das Ohnmachtsgefühl, was viele Verbraucher gerade nach Preissteigerungen empfinden, stark eindämmen und damit eine viel größere Befürwortung von Fernwärme erreichen. Darüber hinaus wären Versorger dann angehalten auch möglichst kosteneffizient zu handeln, was derzeit nicht unbedingt der Fall ist. Daneben wäre eine Deckelung der Grundgebühren toll. Würde man zum Beispiel festlegen, dass die Grundgebühren maximal 30% der Gesamtkosten betragen dürften, könnten Verbraucher die Höhe ihrer Kosten aktiv senken, in dem sie besonders bewusst mit dem Energieverbrauch umgehen und besonders wärmeeffizient bauen oder sanieren. Derzeit sind die Grundkosten aber oft vom Verbrauch unabhängig, sodass sich Energiesparsamkeit nicht so sehr rechnet. Das kann doch irgendwie nicht sein! Hier müssten deutlichere Anreize geschaffen werden. Letztlich müsste eine Reformierung der gesetzlichen Grundlagen in diesem Bereich erfolgen.

Immer einen Vollkostenvergleich vornehmen.

Was rätst Du einem Verbraucher, der über ein neues Heizsystem nachdenkt und dabei Klimaschutz und Wirtschaftlichkeit berücksichtigen will?
Er sollte sich durch einen sogenannten Vollkostenvergleich einen Überblick über die verschiedenen Beheizungsmöglichkeiten und deren zu erwartende langfristige Kosten machen. Wenn die Möglichkeit besteht, Fernwärme zu nutzen, wird es nur einen Anbieter hierfür geben. Jeder sollte sich über dessen Preise und Konditionen informieren und ein Bild über die Ökologie des Netzes auf der Homepage des Wärmelieferanten machen. Sollten sich der Verbraucher für ein anderes System entschieden haben, ist es ratsam, mehrere Angebote einzuholen, um diese vergleichen zu können.

Jetzt haben wir in erster Linie über Fernwärme im Hinblick auf Eigentümer gesprochen. Aber es gibt ja auch sehr viele Mieter, deren Häuser durch Wärmenetze versorgt werden. Was gibt es also für Mieter zu beachten?
Für Mieter ist das natürlich ganz schwierig. Der Wohnungsmarkt ist ja größtenteils so knapp, dass man froh ist, eine Wohnung zu finden. Und selbst wenn nicht, wird wohl kaum ein Mieter die Wohnung nach dessen Wärmeversorgung aussuchen. Wenn ich aber nun Mieter einer Wohnung bin, die mit Fernwärme versorgt wird, habe ich den Vorteil, dass in der Betriebskostenrechnung keine Wartungskosten oder Ähnliches anfallen. Gleichzeitig habe ich den Nachteil, dass ich Erhöhungen oft erst mit einem Zeitverzug von bis zu zwölf Monaten in meiner Heizkostenrechnung mitbekomme und dann möglicherweise eine hohe Nachzahlung leisten muss. Zudem habe ich auf den Abschluss des Vertrages und dessen Bedingungen keinen Einfluss und kann ihn in der Regel auch nur schlecht nachvollziehen. Mir bleiben die Möglichkeiten, bei Zweifeln Widerspruch gegen die Heizkostenrechnung einzulegen und die Einhaltung des Gebotes der Wirtschaftlichkeit durch den Vermieter anzuzweifeln.

Ich denke, damit hast Du wirklich viele Fragen zu dem Thema Wärmenetze geklärt und den Lesern weitergeholfen. Vielen Dank dafür, Julia Buchweitz!

Den Podcast zu dem Artikel finden Sie hier!

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