Aus eigener Energie - Peter Zimmermann über Klimaschutz und Energiewende

Stand:
Der Schönberger Peter Zimmermann engagiert sich für Energiesparen und Klimaschutz – manchmal auf eigene Faust, manchmal im Team, aber immer mit voller Inbrunst.
Verbraucherinterview_Zimmermann
Peter Zimmermann (Vorsitzender der Strompool Probstei eG, li.) mit Wilhelm Westendorf (Aufsichtsratsvorsitzender).

Peter Zimmermann sagt selbst über sich: „Wenn ich Auto fahre, nehme ich immer einen Kompass in der Seitentasche mit. Den nehme ich dann raus, wenn ich mit Leuten rede und zeige denen, wie deren Dach ausgerichtet ist und was sie dort so machen könnten.“ Der Schönberger engagiert sich seit langer Zeit fürs Energiesparen und Klimaschutz – manchmal auf eigene Faust, manchmal im Team, aber immer mit voller Inbrunst. Was Peter Zimmermann dabei alles unternommen und erlebt hat, erzählt er uns in einem persönlichen Gespräch bei ihm vor Ort in Schönberg.

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Herr Zimmermann, wie sind Sie überhaupt auf die Idee gekommen, sich für Klimaschutz zu engagieren?
Auf die Idee bin ich nicht selbst gekommen. Die Idee habe ich von meiner Großtante Frieda. Sie lebte in der Kieler Ringstraße, die während des Zweiten Weltkrieges ausgebombt wurde. Damals war sie immer hinter uns Kindern hinterher und sagte: „Mok dat Elektrische ut, dat kost Geld!“ Soweit verstehen Sie sicher plattdeutsch, oder? (lacht) So war ich als Kind schon gewarnt, Energie zu sparen und auch grundsätzlich sparsam zu sein. Meine Großtante benutzte sogar Briefumschläge doppelt. Sie hat sie vorsichtig geöffnet und dann umgedreht. So waren sie wieder blank und man konnte sie wiederverwenden. (lacht) Natürlich war das in einer schlechten Zeit. Aber diese Eigenart, was man machen oder wie man Sachen wiederverwerten kann, hat sich bei mir eingebrannt.

Wenn irgendwo etwas ist, das man für irgendwas gebrauchen oder in irgendetwas umfunktionieren kann, dann sitzt das bei mir im Kopf.

Gab es noch mehr Ideen für Sie oder auch Leute, die Ihnen als Beispiel dienten?
Nach dem Krieg – damals war ich sechs, sieben Jahre alt – lebte bei uns in der Veranda ein Oberst, bei dem ich immer quasi rumgelungert habe. Mit Hilfe einer Uhrfeder hat er sich eine Tischlerei gebaut. Zuerst hat er diese Uhrfeder auseinandergebaut und dann geschliffen. Daraus hat er sich eine Parallelsäge gebaut, mit der er wiederum eine Hobelbank hergestellt hat. Das hat mich unglaublich fasziniert. Eines Tages sagte mir dieser Oberst: „Du musst immer klauen, du musst stehlen.“ Was er damit meinte, war, dass ich mir immer alles abgucken sollte, was die Leute machen und vor allem wie sie es machen. Überall kann man sich etwas abgucken und lernen. Auch das habe ich verinnerlicht. Wenn irgendwo etwas ist, das man für irgendwas gebrauchen oder in irgendetwas umfunktionieren kann, dann sitzt das bei mir im Kopf.

Und wie haben Sie das später auf Ihre eigene Realität übertragen?
Meine Frau und ich haben dieses Haus hier 1981 von meinen Eltern übernommen. Ich war damals Oberarzt in Lehrte und habe von dort aus das Haus energetisch geplant. Mein Vater hatte hier zig Tausende Liter Öl durchgejagt. Das wollte ich ändern, da es ja auch ein Geldproblem war. Wir hatten hier ganz alte Fenster. Zwar sehr schöne Kastenfenster, aber die waren nicht wirklich dicht. Im Winter lag zwischen den Kästen immer der Schnee. Als Erstes haben wir die ganzen Zwischenwände mit Harnstoff-Formaldehydharz aufschäumen lassen bis oben hin. Später konnte ich sehen, dass sich das bewährt und viel Energie eingespart hat.

Was war der nächste Schritt?
Ich wollte selbst Warmwasser erzeugen. Daher habe ich aus einer Konkursmasse eine Röhrenanlage (Solarthermieanlage, Anm. d. Verf.) gekauft und diese hier oben auf das Dach gebaut. Wenn ich heute daran denke, kommt mir das kalte Grausen: Nicht eingerüstet, ohne Sicherung auf dem über 15 Meter hohen Schieferdach herumgeturnt. (lacht) Unten im Keller hatten wir einen 1.500-Liter-Speicher angeschlossen und konnten seitdem damit jedes Jahr ungefähr von April bis September das gesamte Haus – also auch die Mieter – mit Warmwasser versorgen. Mittlerweile haben wir den alten Speicher durch zwei 1.000-Liter-Speicher ersetzt.

Zimmermann_Haus_Solaranlage_Schönberg

Wo wir gerade beim Dach sind. Natürlich fällt sofort die Photovoltaikanlage ins Auge. Seit wann ist die denn da?
Seit Anfang 1989. Das war die erste private Photovoltaikanlage am damaligen Schleswag-Netz. Was gab es für eine lange Diskussion darum. Dadurch habe ich diese Leute, die sich um solche Angelegenheiten kümmern, eigentlich erst wirklich kennengelernt. Die 0,9kw-Anlage war ein Knackpunkt ersten Ranges für die Schleswag.

...da fielen ihm fast die Augen heraus, denn der Zähler lief rückwärts.

Wie meinen Sie das?
Eigentlich war alles ausgehandelt mit einem Planungsingenieur aus Rendsburg, der bereits sein Go gegeben hatte. Im Keller sollte ein Zähler eingebaut werden, mit dem ein Jahr lang der Verbrauch gemessen werden sollte, um zu sehen, was aus der Anlage anfällt. Ein vernünftiger Vorschlag. Letztlich kam es dann doch aber irgendwie alles anders: Ein Elektriker hatte schon einen Messzähler im Keller angeschlossen und ich habe am 1. Mai das Ding in Betrieb genommen. Mitte Mai stand dann der damalige Bezirksleiter bei mir auf der Matte und fragte mich, was ich denn hier machen würde. Dabei wusste er das ja ganz genau – sonst wäre er ja auch nicht gekommen. Er ging runter in den Keller und da fielen ihm fast die Augen heraus, denn der Zähler lief rückwärts. Es war halt gerade Mittagszeit und die Sonne hat ihre Arbeit verrichtet. Dann hat er sich verabschiedet und ein paar Tage später hatte ich einen Rücklauf gesperrten Zähler drin. Und nun ging das Theater los.

Was passierte dann genau?
Ich gehe davon aus, die Schleswag nahm den von mir erzeugten Strom und verhökerte ihn selbst, ohne mir irgendetwas dafür zu geben. Natürlich habe ich mich sofort an die Schleswag gewendet. Auch an das Landeskartellamt und das Ministerium habe ich geschrieben. Eine Antwort gab es allerdings von keinem. Irgendwo in diesem Dreieck muss der Brief wohl verloren gegangen sein. (lacht) Dann habe ich im August schließlich beim NDR angerufen und davon erzählt. Abends in ihrem Schleswig-Holstein-Magazin wurde darüber berichtet. Im Anschluss tauchte auf einmal die Schleswag auf und hatte mir einen normalen Einspeisezähler eingebaut. Von da an lief es so, wie es im Vorfelde mit dem Ingenieur abgesprochen war.
 

Ein Umstand, der sicherlich nicht förderlich ist, wenn es um die eigene Motivation geht, bestimmte Dinge voranzutreiben.
Durch diese Dinge habe ich schnell das Gefühl bekommen, dass das Dezentrale nicht gewollt war. Wir sehen es ja noch heute. Denken Sie an die Photovoltaikgesetzgebung zur Stromerzeugung. Wie hat sich die entwickelt? Jetzt sage ich den Leuten, wenn sie etwas auf dem Dach machen wollen, dass sie lieber etwas mit einer thermischen Solaranlage machen sollten. Davon haben sie mehr als von Solarstrom. Da ist ein Regelungsgestrüpp um die Photovoltaik herum entstanden, das nicht einmal die Steuerberater und Finanzgerichte durchblicken können.

Aber das hat uns nicht abgeschreckt und wir haben sie zum Laufen gebracht.

Sie haben Ihre Motivation jedenfalls nicht verloren und Anfang der 90er Jahre sogar eine Windmühle in Betrieb genommen.
Genauer gesagt, am 15. Januar ’92. Nach dänischem Vorbild haben wir mit einer Gruppe von circa 40 Familien eine Windmühlengesellschaft gegründet – eine GbR (Gesellschaft bürgerlichen Rechts, Anm. d. Verf.). Das war ein Pionierprojekt hier im Kreis Plön. Ehe wir was machten, habe ich herumgeguckt, wo denn Verbraucher sind, die ordentlich Energie nutzen müssen und eine hohe Grundlast haben. Bei einem landwirtschaftlichen Betrieb in der Nähe haben wir damals offene Türen eingerannt. Daher lief die Windmühle dann in Passade. Aber auch das verlief nicht ganz ohne Gegenwind. Die Genehmigung haben wir erst am Jahresende erhalten, sodass wir die Mühle im winterlichen Schnee und Matsch aufstellen mussten. Aber das hat uns nicht abgeschreckt und wir haben sie zum Laufen gebracht.

Wie empfinden Sie denn aktuell die Bemühungen in der Bevölkerung?
Welche Bemühungen denn? Es wird viel zu wenig in der Öffentlichkeit darüber geredet. Unser Dach brennt ja, wie wir wissen. Es ist auch viel zu wenig über die ganzen Fördermittel bekannt. Wie kommt man überhaupt an die heran? Das ist für eine Einzelperson oder auch einen ganzen Haushalt ein Buch mit sieben Siegeln. Da muss man jemanden fragen und wenn man den fragt, muss der wieder einen fragen oder hat keine Zeit. Am Ende muss immer jemand zu einem herauskommen, um sich das alles anzuschauen. Ich habe das ja mehrmals hinter mich gebracht. Was war und ist das immer noch für ein Aufwand? Die Schwellen müssen viel niedriger sein. Es muss viel mehr über energetische Sanierung in der Öffentlichkeit bekannt gemacht werden, damit sich der Gedanke daran in den Köpfen der Menschen festsetzt und nicht als Erstes auftaucht: Allheilmittel Wärmepumpe.

An dieser Stelle möchten wir auf die Energieberatung der Verbraucherzentrale aufmerksam machen! Denn hier gibt es genau diese Informationen in Sachen Energiesparen und Fördermittel und jeder interessierte Verbraucher hat die Möglichkeit, das Beratungsangebot wahrzunehmen.

Was sind für Sie die wichtigsten Punkte, um Energiewende und Klimaschutz voranzutreiben?
Das Sanieren im Bestand muss in Gange kommen. Darin liegt das größte Potenzial. Das Meiste, was wir so an Veröffentlichungen und Förderungen finden, zielt immer auf den Neubau. Dabei ist der Neubau an sich doch wenig im Vergleich zu dem, was schon alles im Bestand steht. Es ist doch der Bestand, aus dem aktuell die ganze Energie herausfliegt. Der muss saniert werden. Einfach die Häuser plattmachen und neu darauf bauen, geht ja nun auch nicht. Es führt kein Weg daran vorbei: Wir müssen den Bestand sanieren. Und dafür müssen die Leute erweckt und gewonnen werden. Das könnte über Vergünstigungen oder Fördermaßnahmen gelingen. Die dürfen aber nicht immer so verklausuliert sein und irgendwo versteckt liegen, dass man zäh danach suchen muss.

Zimmermann_Haus_Heikendorf_alt

Wie sehen Ihre persönlichen Bemühungen um das Sanieren im Bestand aus?
Wenn Sie sich mal dieses Bild anschauen. Das ist das Haus meiner Schwiegereltern in Heikendorf. Es ist 1954 mit einem einschaligen Mauerwerk gebaut worden und so haben meine Schwiegereltern mit ihrem Gasanschluss 66.000 kWh im Haus verbraucht Als sie dann aus dem Haus heraus waren, habe ich es mit meinen drei Söhnen energetisch saniert. Für dieses Haus haben wir als absolute Außenseiter den schleswig-holsteinischen Landespreis für Sanieren im Bestand gewonnen. Anschließend habe ich es als Beispiel für Vorträge verwendet, um den Leuten zu zeigen, dass man so eine Sanierung auch in bezahlbare Stücke aufteilen kann. Man muss sich eben nur an diesen Grundplan halten. So wie wir das auch gemacht haben.

Und der sieht wie aus?
Als wir das Haus übernommen haben, haben wir uns gefragt, wie wir am besten vorgehen. Ich wollte von Anfang an skandinavischen Standard erreichen. Wir haben zuerst den unteren Teil – Kellerbereich, Fundament und Erdgeschoss – saniert. Zum Beispiel mit Dreifachverglasung und das hat ganz massiv zu Buche geschlagen. Plötzlich war es warm. (lacht) Der Keller wurde kühl, weil die Wärmestrahlung von oben nicht mehr reinkam. Dann haben wir uns so langsam weiter hochgearbeitet und uns den Wänden und Öffnungen gewidmet, durch die ja auch sehr viel Energie entweicht. Und am Ende kam das Dach dran. Alles in allem hat es rund zweieinhalb Jahre gedauert, um das fertig zu kriegen. Es hat letztendlich dazu geführt, dass die heutigen Mieter jetzt nur noch ungefähr 9.000 bis 10.000 kWh Gas verbrauchen. Im Süden Kiels haben wir gerade ein Siedlungshaus von 1922 bei unseren Kindern saniert, die kommen jetzt ohne Gas und Öl aus. Dabei haben sie einem Stromverbrauch von durchschnittlich 2.300 kWh, wie die Messungen der letzten Jahre ergeben haben.

Zimmermann_Haus_Heikendorf_Sanierung

Sie hatten zu Beginn des Gesprächs Ihre Großtante erwähnt und Ihre Inspiration aus dieser Zeit, in der man sparsam sein musste. Ist es heutzutage einfach schwieriger, Leute zum Sparen – in welchem Bereich auch immer – zu animieren?
Schon das Wort Einsparung erzeugt bei vielen Menschen ein Gefühl wie kratzige Wolldecken. Einsparung macht den Eindruck von Ärmlichkeit. In der alten Apotheke hier in Schönberg habe ich mal einen Vortrag über genau dieses Thema gehalten: Einsparung ohne Komfortverlust. Was könnten wir heute alles machen, wenn wir uns darum kümmerten und nicht so einfach darüber wegwischten, ohne dass wir uns einschränken müssten.

Was ist bei dem Vortrag herumgekommen?
Ein paar ältere Leute saßen da. Das ist ja wie in der Kirche: Der Pastor predigt auch immer den falschen Leuten. Die Sünder sind draußen, die kommen nicht in die Kirche.

Hoffen wir, dass wir mit diesem Interview diejenigen erreichen werden, die es als eigenen Anreiz verstehen und Ihrem Beispiel folgen mögen. Vielen Dank für Ihre Zeit, Herr Zimmermann!

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